Am 13. November fand die die Spätlese zum achten Mal statt. Zwei junge Damen und fünf Herren durften an diesem Abend ihre Werke dem Publikum vorstellen. Mit dabei war anstößiges, skurriles und amüsantes.
Donnerstag, 21 Uhr und es ist wieder soweit. Ryo Takeda und Jan Roth begrüßen in der Schotte ihr Publikum. Bereits eine Woche vor der Veranstaltung waren alle Plätze ausverkauft. Zu Recht, wie sich im Laufe des Abends herausstellt. Die Autoren haben sich nicht lumpen lassen und ihre besten Texte hervorgekramt. Und der Moderator ist auch nicht übel.
Ryo Takeda führt nicht zum ersten Mal durch den Abend. In vergangenen Jahren war er es, der das Medium zwischen Schreiberlingen und Publikum gab. Henryk Balkow, Mitglied des Junge Medien Thüringen e. V., sagt das läge daran, dass Ryo als warmherziger Mensch die Fähigkeit besitze eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. In Wohlfühlatmosphäre präsentiert sich auch die Schotte. Der Zuschauerraum ist überschaubar und gemütlich. Auf der Bühne stehen Schulbänke und eine Sportbank, wie man sie noch von Umkleideräumen aus der der Schulzeit kennt. Schlagzeug und Klavier deuten darauf hin, dass es heute nicht nur Texte auf die Ohren gibt.
Die Spätlese Late Night beginnt und Ryo liest über den vom Weltenschmerz geplagten Autor, der weiß das er die Geschehnisse um ihn herum nicht ändern kann, doch die Fähigkeit besitzt sie festzuhalten und gegen sie anzuschreiben. Musikalisch untermalt wird das ganze von Jan Roth am Schlagzeug, vor dem ich nicht wusste das man Schlagzeug leise und zurückhaltend spielen kann.
Dann wird der erste Autor auf die Bühne gebeten. Dario-Lucas Helbing heißt er und stellt sich den Fragen des Moderators. Wir erfahren das der 17 Jährige als Medizinstudent schon seine erste Leiche seziert hat. In seinen Texten geht es weniger blutig zu. Eine Raupe die sich Gedanken über den Sinn des Lebens macht kommt zur Sprache. Im Dialog mit einer Spinne, einem Hund und einem Löwen kommen wir der Antwort näher.
Die zweite im Bunde ist Louisa Klopfleisch. Letztes Jahr war sie auch mit dabei. Im Gespräch mit Ryo klingt ihre Stimme zart und zurückhaltend. Jeder Autor bekommt an diesem Abend zehn Minuten um seine Texte vorzustellen. Louisa nimmt Platz und nutzt ihre Zeit um dem Publikum etwas über die Liebe zu erzählen. Wir fliegen mit ihr über den Rummel, während die 16 Jährige mit ihrer klaren Stimme auch den letzten im Raum erreicht. Nach verdientem Applaus schlägt Ryo den Bogen zu Rene Sachse.
Sein Name sollte so manchem ein Begriff sein. Es wird amüsant, dass kann man nach den ersten Worten, die der Autor der Hörerschaft widmet, mit Sicherheit sagen. Auch letztes Jahr soll er, laut Ryo, eine unglaubliche Performance abgeliefert haben. Heute stellt Rene sein neues Buch namens „Ein Traum“ vor. Für ihn wird das Mikro auf dem Rednerpult ein Stück weiter weg gerückt. Mit der kräftigen Stimme des Schreiberlings trauen sich die Gäste lauter zu werden, der ein oder andere Lacher ist auch dabei. Im Laufe seines Textes stellt er sich in seiner zu knapp bemessenen Zeit die Frage, ab wann ein Autor sich als solcher benennen darf.
Der nächste Herr, der von Ryo auf die Bühne gebeten wird, kann sich reinen Gewissens als Autor betiteln. Ronny Ritze, 34 Jahre alt, hat mehrere Bücher geschrieben und ist als Verleger tätig. Er schätzt Lesungen als direkte Konfrontation zwischen Publikum und Text. Ob sie denn wüssten, was eine Liebesschaukel ist, will er von den Gästen wissen. Die Antwort ist Schweigen. Vielleicht weiß es wirklich niemand. Vielleicht traut sich aber auch keiner den anderen Anwesenden die Konstruktion, die ähnlich einer Schaukel von der Decke hängt und ein spannenderes Liebesleben bescheren soll, zu erläutern. Die Kurzgeschichte aus seinem Programm „Urlaubsgrüße aus Neuseeland“ tut dies dann zu Genüge. Das missglückte Liebesschaukel-Experiment sorgt im Zuschauerraum für großes Vergnügen. Selbst in der Pause höre ich noch wie sich eine Dame, die hinter mir in der Schlange zur Damentoilette steht, über den Text amüsiert.
Stilecht zum aufgebauten Klassenzimmer signalisiert ein Schulklingeln den Gästen und notorischen Rauchern das es weitergeht.
Der Autor, der nach der Pause eröffnet, ist Student für Politik- und Kommunikationswissenschaften.
In der Schotte stand er schon mehrmals auf der Bühne, die Erfahrung merkt man ihm an. Fabian Hagedorn trägt seine Werke im aufrechten Stand vor und braucht nicht abzulesen. Neben einem Gedicht über den Metzger mit seinem Rind und einer „moralischen Legitimation für Langschläfer“, trägt er auf der Ukulele einen Text über Ronald Profalla vor und erntet damit lauten Applaus.
Nun ist es Zeit die zweite Dame an diesem Abend willkommen zu heißen. Alexandra Kubal nennt sie sich und ist 17 Jahre jung. Geboren wurde die Autorin am 11. September. Seit dieses Datum mit tragischer Bedeutung in die Geschichte eingegangen ist fühlt sie sich dazu veranlasst, eher melancholische Texte zu schreiben. So liest sie übers Theater, den verlorengegangenen Zauber den ein Schausteller fühlen muss und eine Kurzgeschichte die sich „Zitterpappel“ nennt. Alexandra sagt, sie sei nicht zum Schreiben gekommen, sondern das Schreiben zu ihr. Lesungen schätzt sie wegen der Möglichkeit, dem Publikum ein Gefühl für die Intention des Autors zu geben.
Erfolgreich tut dies auch Andreas Budzier. Auf seinen Auftritt mussten wir am längsten warten. Er redet schnell und nimmt, wie zuvor Fabian Hagedorn, mit dem Vortrag im Stehen vorlieb. Der Slammer stand schon auf einigen Bühnen und ist ein routinierter Leser. Der Autor hat populäre und politische Texte mitgebracht und auch dem Musikpark ein paar Zeilen gewidmet. Sie tragen den treffenden Titel „Scheiß doch drauf“. Das Warten hat sich gelohnt. Andreas Budzier stößt beim Publikum auf Begeisterung.
Über zwei Stunden haben uns Ryo Takeda, Jan Roth und die Autoren der Spätlese einen wundervollen Abend bereitet. In Zukunft soll die Spätlese-LateNight noch mehr junges Publikum anlocken, vielleicht auch mit einem Freikontingent für Schüler. Henryk Balkow sagt, das sie etwas frisches schaffen wollten, ein Format das sendetauglich ist. Mit diesem Material sollte ihnen das gelungen sein.