Brief an das Kultusministerium der Bundesrepublik Deutschland
Wut, Enttäuschung, Verzweiflung. Wir wissen wie sich IB-Schüler fühlen, die in Deutschland studieren wollen.
Ein Brief an das Kultusministerium. Kritisch denken, aktiv handeln. So kann das nicht weitergehen. Man kann nicht alles über sich ergehen lassen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich melde mich bei Ihnen bezüglich der IB (Internationales Bakkalaureat)-Anerkennung.
Wahrscheinlich mussten Sie sich schon öfter mit diesem Thema auseinander setzen, oder auch nicht, aber diese Sache ist wirklich grenzwertig.
Ich war bis Juni 2015 Schülerin an der IB Schule in Thüringen und habe dort mein IB mit 39 Punkten absolviert. Nun habe ich mich für ein Medizinstudium in Deutschland beworben, da Deutschland meine erste Wahl ist, doch die Chancen stehen sehr schlecht. Meine 39 Punkte wurden in ein 1,5 umgerechnet und den Hochschulen wird über hochschulstart.de nicht angezeigt, dass ich ein Internationales Bakkalaureat gemacht hab, sondern das ich eine “ausländische Hochschulzulassung” habe. Welche Fächerkombination ich gewählt habe oder welche Fächer ich als Leistungskurse absolviert habe, interessiert hochschulstart.de nicht, da ich ja ein IB-Schüler bin.
Ich glaube Sie wissen so gut wie ich, dass man mit einem 1,5 Abi schlechte bis keine Chancen auf einen Medizinplatz in Deutschland hat. Doch hier ist der Haken. Ich habe gar kein Abi gemacht? Ich bin 12 Jahre auf die internationale Schule gegangen und habe 2 Jahre davon fleißig und hart mir mein IB erkämpft. Das IB ist weltweit, außer in Deutschland, sehr gut anerkannt. IB-Schüler werden im Ausland, besonders in England, mit offnen Armen empfangen. Anders als Abiturienten schreiben wir nämlich unser IB innerhalb 3 Wochen mit 14-18 Prüfungen in allen Fächern. Die Abiturienten können sich aussuchen in welchen Fächern sie schriftliche Prüfungen belegen, belegen auch nur 3 Prüfungen, und können sogar schlechte Noten streichen. In Fächern wie Biologie und Chemie behandeln IB-Schüler bereits Unistoff (der ersten Semester), lernen wie man Experimente und Protokolle selber führt, beschäftigen sich mit der Theorie des Wissens, müssen soziale/kreative/sportliche Stunden ableisten um das IB zu bekommen, und lernen alles auf Englisch. Hinzu kommt noch, dass wir, Ib-Schüler, in den meisten Fächern nur mit 20% der Noten in die Prüfungen im Mai gehen. Die anderen 80% müssen wir uns durch die vielen Prüfungen erarbeiten. Abiturienten sammeln sich über die 2 Jahre die Punkte und können ihren eigentlichen Abschnitt schon ungefähr vor den Prüfungen wissen. Es gibt weitaus mehr Unterschiede. Ich möchte das IB auch nicht hervorheben, aber ich möchte eine gerechte Behandlung.
Wie kann es sein, dass ich als deutsche Staatsbürgerin schlechter behandelt werde, weil ich einen internationalen Bildungsweg gewählt habe?
Ich möchte von Ihnen erklärt haben, wieso 39 Punkte in ein 1,5 Abi umgerechnet werden? Und wieso es bei der Umrechnung von IB in Abi keinen Abschnitt wie 1,4 oder 1,2 gibt? 39 Punkte ist ein 1,5 und 40 Punkte ein 1,3? Heißt das, dass wir nicht dazu berechtigt sind ein 1,4 oder 1,2 zu erlangen? IB-Schüler die 45 Punkte erreichen haben dann ein 1,0 wie IB Schüler mit 42 Punkten. Für uns IB-Schüler ist es gar nicht möglich ein 0,7 Abi zu erreichen laut Ihrer Umrechnung.
Diese Formel, die sie da aufgestellt haben hat keinen Wert. Was machen Schüler wie ich, die auf ihre Umrechnung angewiesen sind, wenn Sie mindestens ein 1,4 bräuchten, das deutsche Bildungssystem aber nur 1,5 oder 1,3 verteilt? Hier in Deutschland werde ich höchstwahrscheinlich Jahre auf einen Platz warten müssen, während Universitäten in England IB-Schüler herzlichst begrüßen und einen Medizinplatz ab 36 Punkten vergeben (Oxford ab 39 Punkten). Das heißt ich hab mit meinem IB von 39 Punkten sogar Chancen an der Elite-Uni Oxford, aber nicht mal annähernd an einer schlichtnormalen Uni in Deutschland. Das ist lächerlich.
Oder schauen Sie sich doch mal die Prozentuale an. Wenn Sie sich mal näher mit den IB-Statistiken befassen können Sie schnell feststellen, dass zirka 1,750 von 67,492 Schülern 39 Punkte im IB erreichen. Das sind 2,59%. Schaffen nur 2,59% in Deutschland ein Abi von 1,5? Nein. Weitaus mehr. Allein schon in Thüringen ergeben die neusten Statistiken, dass in Thüringen 1,6% ein Abi von 1,0 erreichen.
Es bauen sich da große Unterschiede und Probleme für IB-Schüler wie mich auf. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich mal ordentlich mit dem IB auseinander setzen würden und versuchen, dass so wie andere Länder zu verstehen und akzeptieren. Deutschland muss sich weltoffener zeigen. Das IB bildet Schüler bilingual, manche sogar trilingual aus. Wir lernen ganz anders. Vielleicht ist es gar nicht mal schlecht, wenn die deutschen Unis ein bisschen Vielfalt in ihr Konzept bringen und ein paar IB-Schüler aufnehmen, um ihre Perspektiven zu erweitern. Es würde ja schon genügen, wenn keine Umrechnung stattfindet, sondern die deutschen Unis sagen würden wir brauchen IB Schüler mit so und so viel IB Punkten für ein Medizinstudium. Sagen wir beispielweise, Heidelberg möchte IB Schüler mit 41 Punkten und in Kiel benötigt man 38 IB-Punkte. Ich weiß nicht wie Sie das regeln wollen, ob Ihnen da überhaupt was am Herzen liegt, aber so kann es nicht weitergehen.
All diese extrem gut ausgebildeten IB-Schüler werden sich dieses kleinkarierte Denken von Deutschland nicht lange geben. Man versucht es vielleicht 1-2 mal hier, doch dann wird man schnell ins Ausland wandern. Es ist nicht nur schade für Leute wie mich, da ich dann mein Heimatland verlassen muss, es ist auch schade für das deutsche Bildungssystem, dass sich so Wege verbaut und zukunftsorientierten, weltoffenen jungen Leuten keine Chance bietet.
Ich bitte Sie um Rückmeldung und, um ein Bemühen diese Angelegenheit so schnell wie möglich zu regeln bzw. zu verbessern.
Mit freundlichen Grüßen
V. Menzel