Foto: Tim Pathe
„Sonne Ra“ ist bislang noch ein Insider in Sachen Hip-Hop. In seinem ersten Album „Mula 4 Life“ sind trotzdem hochkarätige Produzenten aus der Hip-Hop-Szene am Start wie zum Beispiel Dexter, Suff Daddy, Brenk oder Torky Tork. Wir haben mit dem Hoffnungsträger des „Mula-Funk“ gesprochen.
Du nennst Dich „Sonne Ra“, bringst Du die Sonne?
In der Tat ist das genau so gewesen, dass der „Schaufel“ von „Schaufel und Spaten“ irgendwann mal, nachdem wir uns kennen gelernt haben, in einem Text gesagt hat: „Ra schickt Sonne.“ „Ra“ ist die Abkürzung für meinen bürgerlichen Namen Rashid. Ich fand das irgendwie fantastisch, das hat mich inspiriert.
Wie hoch ist die Vorfreude auf Dein neues Album „Mula 4 Life“?
Ich habe nicht so viel Zeit, um mich zu freuen. Es war schwierig alles zu organisieren. Ich habe meine Gigs meistens selber organisiert und jetzt freue ich mich, dass ich auch ein bisschen Aufmerksamkeit bekomme.
Ein Track aus Deinem neuem Album heißt „Herz aus Stein“. Das ist angelehnt an eine Kindergeschichte?
Ich habe den Beat von Dexter bekommen und musste sofort an die Geschichte „Das kalte Herz“ denken. Dann habe ich den Film des Märchens angemacht, den Ton ausgemacht, den Beat laut gedreht und geschrieben. Davon hab ich mich inspirieren lassen. Der Song spiegelt auch das aktuelle Statement wider, was ich sage: Der ganze Erfolg in unserer Gesellschaft, was man alles haben muss, um sich glücklich zu fühlen, ist eigentlich eine große Lüge. Man braucht ein Herz aus Stein, um erfolgreich in dieser Gesellschaft zu sein. Und viele Menschen sind viel zu gut für die Welt. Die haben so ein gutes Herz, sind aber abgestürzte und gescheiterte Existenzen geworden, weil die in dieser kalten Welt kaputt gegangen sind. Mit den Statussymbolen macht man ja die Köpfe der Kinder und aller anderen Personen kaputt. Das Wichtige sind Liebe und Seele.
Apropos Seele, in einem anderen Interview hast Du gesagt, dass Du der Reporter Deiner Seele bist. Was hat Deine Seele denn erlebt?
Jeder ist ein Reporter seiner Seele. Vor allem Künstler drücken sich meist in einer speziellen Art und Weise aus. Und das sollte, meiner Meinung nach, Seele besitzen. Ja, was bedeutet für mich Seele? Eine Verbundenheit mit dem Geist. Eigentlich etwas, was uns alle auch irgendwo verbindet. Das ist alles nicht so religiös, ich erzähle einfach meine Geschichten.
Du beschreibst Deine Musik selber als „Mula-Funk“, was können wir uns darunter vorstellen?
„Mula“ stammt von dem Schimpfwort „Mulatte“, wie mich manche genannt haben. Und durch einige Schlüsselerlebnisse ist dieses „Mulatte“ auch irgendwie hängen geblieben. Es ist wie eine Art Tourette-Syndrom: Ich muss immer „Mula“ sagen. Mulatte steht ja für „Mischling“. Für mich hat das eine ganz eigene Bedeutung. Ich halte damit auch immer ein Stückchen meine Geschichte hoch. Meine Identität und Lebensgeschichte ist nunmal individuell und wenn man das richtig ausdrückt dann ist das auch eine ganz eigene Geschichte. Im Endeffekt heißt es einfach nur: Du gibst mir Scheiße, ich mach Gold draus; Was erniedrigt wird, wird erhöht. Der Funk ist eigentlich immer positiv.
Sind Deine Lieder ein Stück weit auch Appelle an die Menschen?
Meine Musik soll eigentlich mehr beruhigen. Vielleicht ist da auch ab und zu eine kleine Ermahnung drin. Aber ich rufe nicht auf: „Verändert die Welt!“ Ich möchte nicht, dass mir irgendwer folgt. Ich möchte den Menschen nur Kraft und Entspannung geben. Natürlich sind da ein paar Sachen drin, die eine gewisse Haltung rüber bringen.
Wie politisch oder gesellschaftskritisch sind Deine Texte denn?
Ich bin nicht politisch. Aber das was mir passiert ist, ist eigentlich politisch. Ich kann nichts dafür und drücke das einfach nur aus. Politisch, ist so ne Sache. Mir sind viele rechtsradikale Sachen passiert und man beschäftigt sich natürlich mit dem Thema. Hier in Deutschland geht’s ganz schön krass zur Sache. Das passiert uns halt, aber sonst interessiert mich Politik nicht so richtig. Ich glaube da auch nicht dran.
Gehst Du wählen?
Ja klar. Ich gehe schon wählen, aber meistens gebe ich meine Stimme irgendeiner Minderheit, um das kleinere Übel zu wählen. Du hast ja die Wahl zwischen Pest und Cholera und dann musst du dich entscheiden: Fress ich jetzt Scheiße oder leck ich jetzt die Kotze auf?
Was hat es mit dem roten Beutel in Deinen Musikvideos auf sich?
Angefangen hat das alles damals mit „Schaufel und Spaten“. Ich brauchte nur einen Beutel, um meine Sachen rein zu tun. Irgendwie hab ich den Beutel dann verdammt nochmal in dem Video dabei gehabt. Und ich habe mir gedacht: Verdammt, der Beutel hat irgendetwas! Ich wusste auch gar nicht wieso. Aber ich musste den in der Hand haben, das war ganz komisch. Manchmal verhalte ich mich ein bisschen autistisch oder so, aber ich glaube das gehört zum Künstler-Dasein dazu. Dann habe ich diesen Beutel in irgendeinem Video wieder dabei gehabt. Jetzt symbolisiert der Beutel irgendwie die Tasche, in der die Polizei gerne rum wühlt. Rot ist so ’ne aggressive Farbe. Wir haben schwarze Haare und schwarze Augen und es gab so eine krasse Zeit, da haben die Polizisten einen beim Bahnhof jedes Mal auseinander genommen. Es steckt ein bisschen Street-Life drin, unsere Taschen sind heiß. Wir sind von Natur aus aber keine kriminellen Leute. Irgendwie ist der Beutel immer dabei. Ich habe jetzt auch ein Snippet gemacht mit einem kleinen Video. In dem Video knack‘ ich dann ein Auto und mein Kumpel kommt mit dem Beutel angerannt. Er gibt mir den verdammten Beutel und wir cruizen mit der Karre weg. Dann gehen wir in ein Haus und ich hole Essen aus dem Beutel raus, aus dem Beutel kommt auch Licht. Manchmal muss man was machen, um zu überleben. Wenn man gar keine Kohle hat, klaut man und rennt um sein Leben, nur für ein bisschen was zu Essen. Ja der rote Beutel…
…hat eine richtig tiefe Bedeutung?
Der hat eine richtig krasse, deepe Bedeutung. Das ist richtig unbeabsichtigt – So ist halt das Leben, so ist halt Kunst. Das entsteht alles von alleine. Der rote Beutel kommt immer mal vor. Der wird dann so ein kleines Markenzeichen. Vielleicht mache ich ja mal irgendwann eine eigene Klamottenmarke „Red Bag“, Mula-Klamotten…
Welche Musik hörst Du privat?
Mit zehn oder elf habe ich mir meinen ersten Kassettenrekorder gekauft. Meine ersten zwei Tapes waren „Public Enemy“ und „Salt ’n’ Pepa“. Dann bin ich durchgedreht und hab gewusst, dass das gute Musik ist. Depeche Mode habe ich auch echt krass gepumpt. Ein Freund hat mir dann das erste richtige krasse Rap-Tape gegeben, das war „Ice Cube“. Aufgewachsen bin ich aber mit viel Hippie-Mucke. Ich hab auch Bob Dylan, Neil Young und deepen Shit gehört. Davon sind auch einige Einflüsse in meiner Musik mit drin.
Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
Es gibt viele Booking-Anfragen. Eine Tour habe ich nicht geplant. Ist ja auch erst mal ein kleines Debüt als Sonne Ra. Ich arbeite schon an einem zweiten Album. Ich hatte für das jetzige elf Beat-Maker, die alle großartig sind. Auf der Platte sind also elf Tracks mit elf unterschiedlichen Produzenten drauf. Das ist zwar sehr aufwendig, da alle ihre eigene Art haben zu arbeiten. Es macht aber Spaß ein Album zu machen, was sich auch nicht beißt, und da muss man dann auch si ein Ohr haben: Okay, das passt zu dem Lied und so weiter. Gleichzeitig hat es auch einen großen Wirkungskreis, ich habe davor eigentlich unter dem Untergrund Musik gemacht. Die einzige Absicht für mich ist, dass ich auf die Bühne komme. Und ich will nochmal auf einen größeren Haufen Kacke, von einem Elefanten, hauen und ein paar mehr Leute ins Boot holen. Ich arbeite an einer Doppel LP mit noch mehr Beat-Makern. In Zukunft wird aus vielen Ecken Deutschlands die Sonne scheinen. Ich brauche die Musik für die Zukunft. Ich will auch noch Musik machen, wenn ich 60 Jahre alt bin, so wie Blowfly!