Nach vier Stunden Schlaf und zwei Stunden Partybootbeschallung sitzt Mathias Kaden an Deck des Pressebootes des SMS. Die Sonne strahlt, er nimmt die Sonnenbrille ab und versichert sich, ob „das so geht“. Der Kosmopolit aus Gera ist seit 16 Jahren DJ. Mit dem Label „Freude am Tanzen“ vertritt er eine ganze DJ-Szene. Mittlerweile ist er einer der gefragtesten DJs Deutschlands und international sehr erfolgreich. (Video-Interview unten!)
Von Niklas Phillip
Seit wann steht das SMS-Festival schon als Termin in deinen Sommern fest?
Ich bin schon lange dabei. Als Gast war ich vor zwölf Jahren das erste Mal hier und vor wahrscheinlich neun Jahren habe ich das erste Mal aufgelegt.
Was hat dich vor zwölf Jahren am meisten fasziniert?
Die ganze Partyszene überhaupt. Ich kannte sowas nur aus Gera von den Clubs, aber das SMS war das erste House&Techno-Festival überhaupt für mich. Damals sind viertausend Menschen gekommen. Es war überwältigend, alle auf einem Fleck zu sehen. Damals legte zum Beispiel Sven Väth auf, den ich bis dahin nur aus dem Fernsehen kannte. Es war einfach klasse.
Und wie war es für dich das erste Mal hier selbst aufzulegen?
Es war natürlich das Größte vor so vielen Leuten aufzulegen. Ich bin auch heute noch aufgeregt aber damals war es noch heftiger. Am Anfang zitterten meine Hände beim Auflegen, aber wenn die ersten Platten laufen und man spürt, wie die Menge mitgeht, dann ist man drin und die Nervosität ist verflogen.
Was hat sich für dich über die Jahre beim SMS verändert?
Also die Sache mit der Aufregung ist zwar immer noch da, aber sie hat sich in eine eher innere Anspannung gewendet. Wenn die Leute einen schon so oft gesehen haben, dann ist es immer schwer, das wieder zu toppen. Das Level zu halten ist die Kunst. Außerdem sind die Laufwege größer geworden, wenn man zu Kollegen in andere Zelte oder Stages schaut. Man bewegt sich mehr, was aber auch sein Gutes hat.
Seit Juli ist das erste Album „Plaited“ der Band „Karocel“ auf dem Markt. Diese Künstlervereinigung aus dem DJ Mathias Kaden und der Band „Marbert Rocel“ (beide „Freude am Tanzen“-Label) steht für harte Bässe, aber trotzdem für die elektronische Verspieltheit der Extraklasse.
Und welche Veränderungen kannst du im Laufe deiner Karriere in der DJ-Szene erkennen?
Es ist alles viel schneller geworden, es kommen so viele neue Acts. Plötzlich gibt es da einen neuen Superstar-DJ auf der Mainstage, den man noch nie gehört hat. Früher habe ich Monate gebraucht, Platten anzugleichen, aber heute ist das mit den neuen technischen Möglichkeiten überhaupt nicht mehr nötig. Heutzutage nimmt man sein Traktorsystem, stellt „Synth“ ein, zieht sich die Top Ten der Billboard Charts und spielt das DJ-Set seines Lebens. Das war früher anders, es war einfach mehr Arbeit.
Die technische Entwicklung macht es ja auch möglich, jedes Instrument, jedes Geräusch synthetisch zu erzeugen. Trotzdem gibt es einen Trend zum Einsatz von Live-Instrumenten beim Auflegen. Auch du nimmst gerne Live-Percussions dazu oder mit Marbert Rocel als “Karocel” sogar Instrumente und Live-Gesang. Kannst du dieses Phänomen erklären, wenn es doch so einfach wäre, die Sounds technisch zu erzeugen?
Du sagst es, man kann es ganz einfach machen. Und genau das Einfache stört mich. Man möchte dem Publikum ja auch etwas bieten und mein eigener Anspruch ist auch ziemlich hoch. Und ein Live-Saxophon zum Beispiel wird auch mal nicht ganz sauber klingen, aber es lebt einfach, es ist live. Im Computer würde ich es einspielen und es würde immer gleich klingen, was ich ziemlich langweilig finde. Das Analoge reizt mich halt und deswegen spiele ich auch gerne noch Schallplatten, es fordert mich und es ist einfach mehr Action. Die Leute sehen dann, der DJ macht noch etwas und alles wird lebendiger.
Welche Verbindung hast du zum MUNA-Zelt, in dem Du auflegst?
Aus dieser lokalen Szene des MUNA und des Jenaer Labels „Freude am Tanzen“ wurdest du auch international erfolgreich. Du reist dementsprechend viel und trotz allem bleibst du Gera als Wohnort treu und bist immer noch sehr lokal bezogen. Woran liegt das?
In diesem Ruhepunkt um Gera hast du künstlerisch angefangen. Wie kam es dazu, dass du als Fan selbst DJ wurdest?
Mit fünfzehn oder sechzehn durfte ich schon raus in die Clubs, meine Eltern haben mich gelassen und das war gut, denn mittlerweile sind sie meine größten Fans und bei ganz vielen Festivals oder Auftritten auch dabei. Damals war es für mich total faszinierend, da oben zu stehen und zu mixen, die Menge anzuheizen. Wir hatten in Gera ein Plattenladen, in dem ich mir die ersten Platten und auch einen Plattenspieler, damals noch batteriebetrieben, zulegte. Das Mixing war schlecht und alles schwergängig, aber so habe ich es gelernt wirklich handwerklich zu mixen.
Wie konntest du dein Hobby, das dann später zum Beruf wurde, und die Schule unter einen Hut bringen?
Und viele Fans sind es auch. Das SMS soll für eingesessene DJs einem großen Ferienlager gleichen, stimmt das?