Alte Fassade – neue Idee
Nach dem Vorbild des Leipziger Konzeptes ist das Wächterhaus in der Talstraße Erfurt Standort und Arbeitsplatz vieler junger Künstler und Vereine und bietet seit drei Jahren optimale Voraussetzungen für kreative Ideen und Projekte rund um den beliebtesten Sport der Republik. Wie beim Fußball fing auch hier alles mit einer Leidenschaft an.
Von Guilian Thunert
Alt, brüchig, leerstehend und kurz vor dem Zerfall. Vor drei Jahren ist in der Talstraße 16 das erste Wächterhaus Erfurts entstanden. Die Idee, ein denkmalgeschütztes Gebäude zum Arbeitsplatz ohne Mietkosten zu verwandeln, hat in Leipzig ihren Ursprung und wurde in den letzten Jahren zunehmend in mehreren Städten Deutschlands umgesetzt.
Seit dem Winter 2011/2012 residiert der Verein „Spirit of Football“ in einer Etage des altehrwürdigen Gebäudes, das fleißige Mitglieder selbst liebevoll saniert und eingerichtet haben. Hier entsteht seitdem ehrenamtlich Stück für Stück Raum für viele neue Projekte. Zuerst wurde nur ein einzelner Raum des Hauses übernommen, doch im Sommer 2012 kamen der Hinterhof sowie weitere Teile des Gebäudes hinzu. Vor allem die günstige Finanzierung dieses Standortes, aber auch der antike Charme des Hauses sei der ausschlaggebende Grund für die Wahl des Wächterhauses als Spielfeld für die Vereinsarbeit gewesen, erklärt Robert Fritzsch im Interview. „Als Treffpunkt einmal in der Woche ist der Ort vollkommen ausreichend. Er bietet eine optimale Grundlage zum Arbeiten und wird auch in der Freizeit von den Mitgliedern des „Spirit of Football“ Vereins gerne genutzt.“
Im Sommer 2012 zur Fußball-EM in Polen und der Ukraine veranstaltete „Spirit of Football“ im Hinterhof des Gebäudes ein großes Public Viewing und wandelte dazu den Hof in ein offenes Wohnzimmer mit Sofa und einer kleinen Bar um. Viele junge Leute, vor allem Studenten und Austauschstudenten, nutzten diese Möglichkeit zum Fußballgucken. „Das machte die Tage, in denen der Hinterhof zur kleinen, interkulturellen Fanmeile wurde, zu einen unvergesslichem Ereignis.“ Die Zeit der EM sei für die Mitglieder sehr stressig gewesen, aber der Spaß an dem ganzen Projekt überwiegte. „Wir standen da am Anfang vor einer kleinen Ruine und einem riesigen Berg voll Arbeit. Umso erstaunter und begeistert sind wir alle, was wir da gemeinsam draus gemacht haben“, beschreibt Robert zufrieden und schaut sich stolz um. Für Robert, der den Traum von einer Profifußball-Karriere wegen einer Knieverletzung aufgeben musste, war „Spirit of Football“ ein echter Anschlusstreffer. Unter echten Fußballfans steht er weiter wie eine Mauer für die positiven Werte des beliebten Ballsports. Der Erfurter Student kann immer noch auf dem Platz kicken, macht aber jetzt die Tore für Integration und mehr kulturelles Miteinander bei der jungen Generation in der Stadt. Für genau solches Engagement sind Wächterhäuser auch gedacht. Diese besondere Veranstaltung im Sommer, die Robert zusammen mit seinen Freunden zum Rollen gebracht hat, bot zusätzlich als Highlight jeden Abend landestypisches Essen passend zu den spielenden Mannschaften. „Die Stimmung unter den Leuten war locker und entspannt. Von Aggressionen oder Fremdenfeindlichkeit keine Spur.“
Das derzeit laufende Projekt sei ein echter Volltreffer, schwärmt Robert. Ein Ball wird hierbei als eine Art olympische Fackel von Schule zu Schule über die Kontinente transportiert und zu den verschiedenen Austragungsorten der Europa- und Weltmeisterschaft gebracht. Auf seiner Reise sammelt „The Ball“ Unterschriften von fußballbegeisterten Menschen auf der ganzen Welt, um somit das Tor zu einem friedlichen Zusammenspiel zu erzielen. „Der Ball hat bisher über 18.000 Unterschriften gesammelt.“, berichtet Robert Fritzsch stolz. Gefördert und unterstützt wird die Aktion vom LAP-Erfurt. 2010 reiste für dieses Projekt Vereinspräsident Aris im Auftrag von „Spirit of Football“ als Träger von „The Ball“ quer durch 32 Länder zur FIFA Fußballweltmeisterschaft nach Südafrika. Diese Reise, die er zusammen mit Manuel Ermer organisiert habe, sei größtenteils für den Erfolg von „Ein Ball:Eine Welt“ verantwortlich gewesen.
Das nächste angestrebte Ziel ist die WM 2014 in Brasilien, zu der voraussichtlich zwei bis drei aktive Mitglieder des „Spirit of Football“ Vereins reisen werden. Doch bis dahin stehen viele andere, kreative und interessante Projekte und Ideen auf dem Spielplan. Nach dem Spiel ist auch hier vor dem Spiel.