Bilder: Nova Orahra
Niedergang der Clubkultur? Sind wir wirklich so ein selbstzufriedenes Konsumvieh der Musikindustrie, schlechter Clubs, schlechter DJs und schlechter Veranstaltungen geworden? Noch nie war die Auswahl so groß – aber auch die Qual, die spätestens in der Silvesternacht die Rakete auf den Gipfel schießt. Nach 16 Jahren als investigativer Reporter in der Thüringer Nachtkultur mache ich mal Inventur, bevor ich mich aufgrund vernichteter Gehirnzellen nicht mehr erinnern kann.
Klar, wer die ganze Woche schuftet, möchte spätestens am Wochenende mal ordentlich auf der Tanzfläche stampfen gehen und am Tresen mit Freunden den Arbeitsspeicher löschen, manche auch gleich mit die Festplatte. Aber: Kenn Dein Limit. Wer ist dieser Limit? Nie kennengelernt…
Was ich aber kennengelernt habe, ist eine Artenvielfalt an Publikum, das als Nachtfalter in Thüringen rudelweise unterwegs ist. Um die Frage danach zu beantworten, wie es um unser Reservat an gescheitem Nachtleben steht, geht es auf Safari in Animal Crossing, denn die Leute machen die Party.
Der aggressive Partylöwe
Der Lebensraum des aggressiven Partylöwen ist die großräumige Diskothek oder Veranstaltung mit günstigen Getränkepreisen zum Abschießen, langen Schlangen, billigem Look und verführerischen Lock-Angeboten, äußerst schlechter Konservenmusik sowie der Hoffnung auf einen hohen Anteil an Beute, die er reißen kann. Sind wenig Frauen anwesend, der Alkohol besonders billig und die Musik außerordentlich schlecht, erhöht sich der Aggressions-Level beim gemeinen Partylöwen expotenzial und er sucht andere Opfer. Das falsche Hemd, der falsche Blick oder ein falsches Wort reichen als Reiz aus, um ihn reflexartig in Kampf-Pose zu versetzen. Er schlägt sich gern vor dem Club mit Publikum, verteidigt sein Revier bis aufs Blut. Sein Rang im Rudel steht auf dem Spiel. Jähzorn beherrscht ihn, aufgrund des hohen Alkohol-Pegels sind Reaktionsvermögen, Koordination und Geschwindigkeit im Sparmodus. Alles setzt auf Kraft. Seine Freunde feuern ihn an. Seine Freundin, wenn er eine hat, steht heulend mit ihrer BFF am Rande und versucht kreischend, ihn aufzuhalten. Mit dem zweiten Auge bewundert sie ihn aber.
Für den aggressiven Partylöwen ist das eine gepflegte Abendgestaltung mit ordentlicher Testosteron-Ausschüttung und Alkohol in Strömen. Für andere Partygäste ist es ein Highlight, wenigstens war mal was los und man hat was zu erzählen im sozialen Netzwerk. Für den Freigeist und kulturell zivilisierten Bürger ist das nix, vielleicht ab 2 Promille im Kessel. Dann aber als Opfer des Partylöwen. Also Hipster: geht bitte nicht in die Höhle des Partylöwen, wenn ihr keine Beute sein wollt.
DJ oder Dompteur?
Wir neigen ja immer dazu, nur das Futter zu frssen, das wir kennen. So ists auch mit dem Ohrfutter. Bekannte Melodien und Beats wie Kalkbrenner oder Klangkarrussel – das geht immer. Gute DJs haben ein goldenes Ohr und Händchen für ihren Zirkus und die Partytiere. Scheiß auf den Namen. Bis vor wenigen Wochen kannten nur wenige DJ Zwette aus Kölleda. Nach einem phänomenal erfolgreichen Remex von Tom Odell kennt die halbe Technowelt. Und der legt hier shcon seit Jahren in vielen Club zwischen Eichsfeld und Thüringer Wald auf, aber auch überall in der Welt. Also traut nicht den Namen, traut Soundcloud. Macht die Lauscher auf im Urwald der Partys und hört mal rein, bevor Ihr Euch ins Getümmel stürzt. Und gebt den Frischlingen eine Chance. Manchmal können die Frischlinge besser die Sau raus lassen und durchs Dorf jagen. Wenn alte Tiere als DJ und damit Dompteur im Zirkus zu schwach werden, nur noch Grütze runterspulen, sollten sie gefressen werden oder wie die Dinosaurier zum Sterben zurück in den Wald gehen. Das klingt jetzt hart, aber die Tanzfläche ist kein Ponyhof.
Die Dorf-Mieze (DoMi)
Jeder will sie, keiner bekommt sie. Die Dorf-Mieze ist die unerreichbare Prinzessin vom Lande aus gutem Hause. Meist wird sie von einem Drachen (i.d.R. Mutter) bewacht. Sie wartet auf den Ritter auf weißem Schimmel in goldener Rüstung. Ein Hipster-Bart und Ray-Ban-Brille imponieren ihr, reichen aber auch nur für „lass uns gute Freunde sein“. Sie mag Humor, Größe, Stärke, Intelligenz. Am Ende bekommt sie irgendwo ein älterer Typ, der ihre unerfüllte Vaterfigur-Sehnsucht erfüllt und ein großes Auto hat, mit dem er sie aus der öden, dörflichen Langeweile befreit und in der großen weiten Welt ausführt.
Der bunte Hund
Er kennt sie alle, natürlich auch den DJ, den Clubbsesitzer, die geile Kellnerin mit dem roten Halsband und den Typ an der Bar, der das Glas etwas voller macht. Natürlich ist er Single, sonst würde er ja nicht Gott und die Welt kennen. Der Käfig ist kein Lebensraum für ihn. Er ist immer auf Safari, reißt gern mal was auf ist aber nicht interessiert an der Aufzucht, die er lieber dem Weibchen überlässt. Später wird er viele Sprösslinge auf der Wildbahn haben. Er ist wie ein läufiger Köter, wenn er mit Frauen spricht. Aber er ist ein Nahkampf-Rhetoriker mit Verführungskünsten, auch wenn er nur kurz verweilt. Jeder ist stolz, den bunten Hund zu kennen und mit ihm bei Facebook befreundet zu sein.Der bunte Hund ist sehr durstig und muss viel trinken. Ihm hängt immer die Zunge zum Maul raus und er schlabbert gerne Weibchen ab. Er ist ein Rudeltier und wirkt oft wie ein Leitwolf. Eigentlich will er aber nur spielen.
Die Wuchtbrumme
Summ, summ, summ, die Wuchtbrumme bringt Dich um. Um ihr kleines, zartes Ich tief im Inneren hat sie über Jahre einen dicken Panzer und dicken Kopf gezimmert. Damit geht sie durch Wände, durch Herzen und plättet alles, was ihr in den Weg kommt. Man stelle sich ein Nashorn auf der Tanzfläche vor. Eigentlich emotional nach am Wasser gebaut, aber voller zerstörerischer Kraft. Es kann sehr gesellig sein, ist aber ein problemtisches Mitglied in der Gruppe. Es wird nur wegen seiner Größe und Stärke akzeotiert und gelegentlichen Entertainment-Momenten. Aber darüber hinaus wird das in sich zerrissene Innere der Wuchtbrumme anstrengend und führt zur sozialen Isolation und evolutorischem Isomorphismus. Oft hat die Wuchtbrumme eher zarte Genossen anderer Spezies um sich sich. Artgenossen neben sich duldet sie nicht.
Der Pelikan (m/w)
Auffällig, schillernd, selbstbewusst – der Pelikan ist sehr eitel, liebt sich selbst, braucht immer Aufmerksamkeit und Bestätigung und verträgt keine Kritik. Er oder sie ist der Narzisst (m/w) unter den Partytieren. Die nach außen simulierte Stärke weicht schnell, wenn sich die Gruppe (Publikum) gegen ihn/sie auflehnt. Vorsicht, der Pelikan kann sehr gereizt reagieren. Manchmal verlässt er/sie nur theatralisch den Zirkus, manchmal reagiert er mit giftigen Spitzen, mit denen er versucht, alle Feinde seines künstlichen Selbstbildes zu zerstören.
Total geile Party oder totlangweilig?
Du bist die Party, vergiss das nicht. Such Dir die richtigen Freunde, den richtigen Zirkus und den richtigen DJ aus, geh nicht immer die getrampelten Pfad, sondern wage Dich auch mal in den Dschungel, in die Wildnis. Dort sind die besten Partysafaris.
Du bist die Party. Nimm Dir ein Beispiel an Mensa-Jürgen. Du kennst Mensa-Jürgen nicht? Dann warst Du noch nicht auf einer richtigen Party 😉 Schreib Partygeschichte, weil Du die Party bist. Alles andere ist Totentanz. Yolo.